Lycopodium & der König der Löwen
Warum ein Musicalabend in Hamburg mich mitten ins Herz eines Arzneimittelbildes geführt hat.
Am Wochenende war ich mit meinen Kindern im Musical König der Löwen.
Normalerweise würde man erwarten, dass eine Mutter einfach dasitzt, mitsummt, sich an den wunderschönen Kostümen erfreut und Popcorn teilt.
Ich?
Ich saß da mit einem Dauerlächeln – und zwar nicht wegen der Songs.
Sondern weil ich in jeder Szene ein homöopathisches Arzneimittelbild gesehen habe.
Du kennst das.
Menschen sehen ein Musical.
Wir sehen Mittelbilder.
Auf zwei Beinen, mit Krone, Schweif – und manchmal auch pupsend.
Und irgendwann, irgendwo zwischen „Circle of Life“ und „Hakuna Matata“, wurde es so klar wie selten:
🦁 Der König der Löwen ist ein einziges großes Lycopodium-Bühnenstück.
Mit all seinen Facetten.
Mit Licht und Schatten.
Mit Bauch und Mut.
Mit Gas und Größe.
Mit all der Zerbrechlichkeit, die so viele Menschen niemals laut aussprechen.
Jede Figur trägt einen Teil dieses Mittels.
Und das rührt mich tiefer, als ich es erwartet hätte.
🟡 Simba – das Gefühl, klein zu sein und trotzdem Großes zu tragen
Simba ist der zarte, verletzliche Teil von Lycopodium, den man im Lehrbuch nicht so oft findet – nur im Leben.
dieses „Ich bin noch nicht bereit“
die Angst, Fehler zu machen
der Wunsch, groß zu wirken, obwohl man sich innen noch viel kleiner fühlt
das Bedürfnis, sich hochzustellen – auf Felsen, Stämme, Steine – Hauptsache erhoben.
Dieses Hochsteigen ist kein Zufall.
Es ist der innere Ruf:
👉 „Wenn ich nicht hoch genug stehe, sieht mich niemand.“
Ich glaube, jede von uns kennt dieses Gefühl.
Gerade in der Praxis.
Gerade wenn Verantwortung und Unsicherheit sich an einem Tag die Klinke in die Hand geben.
🟣 Scar – die verletzte Seite des Mittels
Scar ist das Lycopodium, das wir ungern anschauen.
Der Teil, der aus Schmerz Stärke macht.
Der Teil, der sagt:
„Wenn ich Kontrolle abgebe, falle ich."
„Wenn ich nicht oben stehe, verschwinde ich.“
„Ich halte fest, sonst verliere ich alles.“
Im Musical wirkt er kalt.
Wir wissen:
Dahinter sitzt ein Herz, das einmal viel zu wenig bekommen hat.
Scar ist der Schatten, der entsteht, wenn Entwicklung zu lange warten musste.
Wenn Liebe, Nahrung, Anerkennung – seelisch wie körperlich – knapp waren.
🟤 Pumba – das körperliche Arzneimittelbild in Reinkultur
Ach Pumba.
Unser gasförmiger Philosoph.
Ich habe selten ein Musical erlebt, das so liebevoll zeigt, was Lycopodium körperlich mitbringen kann:
Blähungen
Pupsen
ein Bauch voller Rumoren
viel Luft, wenig Erdung
ein System, das arbeitet, drückt, schiebt, verändert
Und gleichzeitig?
Ein Herz aus purem Gold.
Weich, offen, zugewandt.
Pumba steht für all die Menschen, die mit Humor durchhalten, obwohl ihr Bauch eigentlich ein Tagebuch schreiben könnte.
🌾 Die Dürre – das Thema des Mangels
Eine Ebene hat mich besonders berührt:
Das Land verdorrt.
Die Hyänen sind knochig.
Alles wirkt wie ausgehungert.
Das ist Lycopodium in seiner Tiefe:
👉 das Gefühl, es sei nie genug da
👉 das Grundmisstrauen gegenüber Fülle
👉 der Impuls, immer etwas festhalten zu müssen, um nicht zu verhungern (körperlich oder seelisch)
Viele Patientinnen erzählen genau das, nur mit anderen Worten:
„Ich habe Angst, dass es nicht reicht.“
„Ich muss vorsorgen.“
„Ich darf nicht loslassen.“
Diese Mangelgeschichte ist oft viel älter als das Symptom der Abmagerung, dass wir von Lycopodium kennen.
🔵 Nala – die, die uns erinnert, wer wir eigentlich sind
Nala ist das Herz der Reifung.
Sie sieht Simbas Größe, lange bevor er sie ertragen kann.
Jede von uns hat hoffentlich eine Nala im Leben:
eine Kollegin
eine Freundin
eine Mentorin
eine Patientin, die uns ungewollt spiegelt
oder diese innere Stimme, die sagt:
„Du bist mehr als deine Angst.“
Nala ruft Simba nach Hause.
Zurück zu sich selbst.
Diese Art von Begegnung lässt Entwicklung erst entstehen. Überhaupt sind die Löwinnen in der Geschichte die wahren Heldinnen …
🔮 Rafiki – die innere Heilerin
Ich liebe Rafiki.
Sie (im Musical ist es eine Dame) taucht immer dann auf, wenn Simba sich selbst verloren hat.
Sie schlägt, lacht, malt, schüttelt – wie ein Archetyp des Heilers, der Wahrheit sichtbar macht, ohne sie zu erklären.
Sie erinnert Simba an seine Essenz.
Lycopodium braucht genau das:
Nicht Druck.
Nicht Kritik.
Sondern…
👉 Erinnerung.
👉 Verbindung.
👉 Ein „Schau, wer du wirklich bist.“
Wie oft habe ich das in der Praxis erlebt – bei anderen und bei mir selbst.
🌀 Hakuna Matata – die Kunst, Verantwortung zu verdrängen
Simba flüchtet vor seiner Schuld in eine Welt voller Palmen, Bananen und Pupser-Oasen.
Das ist so menschlich.
So verständlich.
Und so Lycopodium.
„Wenn ich nicht hinschaue, existiert es vielleicht nicht.“
Wir alle haben Hakuna-Matata-Phasen.
Und manchmal sind sie notwendig, weil Entwicklung nie linear ist.
🦁 Der Moment des Mutes – und die Rückkehr
Als Simba schließlich zurückgeht, passiert das Wesentliche:
Er stellt sich seinem Schatten
Er übernimmt Verantwortung
Er findet seine Stimme
Er führt – nicht durch Lautstärke, sondern durch Präsenz
Das ist das homöopathische Simillimum-Motiv:
👉 von Kompensation zu Wahrhaftigkeit
👉 von „größer tun“ zu „größer sein“
👉 von Zweifel zu Klarheit
👉 von Bauch zu Brust
👉 von Gas zu Größe
Dieser Moment ist für mich das eigentliche Arzneimittelbild – das, was in einem Menschen passiert, wenn sich inneres Wachstum entfaltet.
✨ Was dieser Abend für mich bedeutet hat
Als ich da im Theatersaal saß, zwischen meinen Kindern, zwischen Musik und Farben, wurde mir eines bewusst:
Wir stehen als Homöopathinnen oft selbst auf diesem symbolischen Felsen.
Zwischen Mut und Angst.
Zwischen Verantwortung und Bauchgefühl.
Zwischen Vision und Alltag.
Zwischen „Ich will“ und „Ich weiß noch nicht wie“.
Und vielleicht ist genau das Entwicklung:
Nicht perfekt sein.
Nicht bereit sein.
Nicht souverän wirken.
Sondern:
👉 den nächsten Schritt machen.
👉 die eigene Stimme finden.
👉 sich erinnern, wer man ist.
👉 und vertrauen, dass es reichen wird.
❤️ Zum Schluss
Vielleicht erkennst Du Dich manchmal in Simba.
Manchmal in Scar.
Manchmal in Pumba (besonders nach dem Mittagessen 😉).
Vielleicht auch in Nala, die andere ermutigt.
Oder in Rafiki, der Licht ins Dunkel bringt.
All das gehört zu uns.
All das hat Platz.
All das ist menschlich – und homöopathisch zugleich.
Und vielleicht liegt genau darin die Schönheit:
Dass ein Musicalabend uns mehr über Entwicklung beibringen kann als jedes Lehrbuch.