Pulsatilla - Archetyp oder Chamäleon?

Pulsatilla ist in der Regel eines der ersten Arzneimittelbilder, das wir in unserem Homöopathiestudium lernen, genau wie Calcium carbonicum, Sulphur, Natrium muriaticum, Lycopodium, Nux vomica und Sepia.


Dann sollte es ja sitzen, möchte man meinen!

Aber genau da liegt manchmal auch ein Risiko. 

Diese Mittel sind wichtig und groß, wahrscheinlich weil sie Archetypen der Menschheit abbilden und deshalb sehr häufig anzutreffen sind - Polychreste.  Und deshalb lernen wir sie als erstes. 

Die Gefahr liegt darin, dass wir dann allein dieses archetypische Bild verinnerlichen, da wir am Anfang noch nicht die vielen Facetten dieser großen Arzneien erfassen können. 

Nehmen wir mal zur Verdeutlichung Sepia und Pulsatilla.

Sepia = Athene

Die junge Sepia könnte für (den Archetyp) Athene stehen, in der Männliches und Weibliches wohnt und die (zunächst) keinen männlichen Gefährten braucht, um zu überleben. 

In der griechischen Mythologie ist Athene die Göttin der Weisheit, der Strategie und des Kampfes, aber auch der Künste, des Handwerks und der Handarbeit (denk an unser Spinnen/Schlangen-Seminar 😉). 

Athene ist Tochter des Zeus und wird aus seinem Kopf geboren - in voller Rüstung! Sie wurde daher als Verkörperung des Geistes (aus dem Kopf des Göttervaters geboren), der Weisheit, Intelligenz und des Kampfes verehrt.

Unser Archetyp (Athene/Sepia) gibt erst später ihrem “typisch weiblichen” Anteil nach, um sich an einen Partner zu binden und zum Beispiel Mutter zu werden, nachdem sie sich in der Welt “erprobt” und Erfahrungen auf verschiedenen Gebieten gesammelt hat. 

Und wie es weiter geht, wissen wir: Oft ist sie dann überfordert, meckert mit den Kindern, zieht sich zurück, hat keine Lust mehr auf Sex usw. (Achtung Klischee!😉)

Pulsatilla = Demeter

In diesem Bild würde Pulsatilla für Demeter stehen, eine Muttergöttin aus dem kleinasiatisch-griechischen Raum. Sie ist zuständig für die Fruchtbarkeit der Felder, für das Getreide und die Saat. Demeter hatte eine Tochter, Persephone. Und Hades, der Gott der Unterwelt, entführte Persephone dorthin. Demeter trauerte so sehr um ihre Tochter, dass sie den Pflanzen verbot zu wachsen, die Bäume durften keine Früchte mehr tragen und die Tiere sich nicht mehr vermehren. Als die Menschen dann anfingen zu sterben, griff Zeus ein und fand eine Lösung …

Unser homöopathischer Archetyp Demeter/Pulsatilla ist quasi eine Urmutter. Man braucht ihr nichts zu zeigen, sie hat da einen untrüglichen Instinkt und umsorgt ihre Kinder kompetent und liebevoll. Sie sind der Mittelpunkt ihres Lebens und sie wünscht sich nichts anderes (Achtung, Klischee natürlich!). 

Soweit sind wir uns wahrscheinlich einig.

Aber was ist, wenn Sepia oder Pulsatilla plötzlich ganz anders daherkommen? Erkennen wir einen Sepia-Mann oder eine selbständige und karrierebewusste Pulsatilla-Frau?

Ich möchte hier nicht in die Tiefe gehen, nur ein kleines Beispiel:

Vor einigen Monaten kam eine Patientin in meine Praxis, die ich seit über 20 Jahren, aber nur sehr sporadisch behandle. Sie kommt nur, wenn es “brennt”, wenn die Schulmedizin am Ende ist oder manchmal bei akuten Infekten. 2001 hatte sie zunächst sehr von Cannabis indica C200 profitiert. Anschließend - in ruhigere Bahnen gebracht - machten wir weiter mit Magnesium-sulphuricum. Akut bekam sie ab und zu Lycopodium (rechtsseitige Anginen, Aphten tief am Zungengrund usw.).

Jetzt ist sie in den Wechseljahren und leidet seitdem unter schlimmer rheumatoider Arthritis. Es fing vor 5 Jahren in den Händen an, die jetzt wieder völlig in Ordnung sind. Aber jetzt sind die Hüften betroffen. Sie muss einen Gehstock benutzen. Behandelt wird sie mit Methotrexat, Kortison und Novalgin, was ihre Schmerzen leider nicht beeinflusst. 

Nach circa einer Stunde Anamnesegespräch dachte ich so für mich: Ich erkenne kein Muster, was kann das bloß sein?!  Während ich in diversen Rubriken nachschaue, sagt die Patientin: Meine Rheumatologin sagt übrigens, dass mein Rheuma keinem Muster entspricht und sie ratlos ist. 

Kein Muster erkennen, das ist ein Schlüsselsymptom von Pulsatilla! Ich dachte, was soll’s, No Risk No Fun, und verordnete es ihr, C30, einmal täglich für eine Woche. Mittlerweile nimmt sie eine Q-Potenz und ist ziemlich glücklich. Die Schmerzen reduzierten sich schnell, die Blutwerte werden besser. Was mich aber besonders beeindruckt hat, waren ihre Worte nach einer Woche Pulsatilla C30: Mein Entsetzen, diese tiefe Erschütterung über die Krankheit sind weg! Beste Voraussetzung, um die innere Kraft zur Überwindung der Erkrankung zu finden, oder?

Was ich sagen möchte: Diese Patientin entspricht Null dem Archetyp Pulsatilla! Sie ist nicht in Partnerschaft, sie hat Karriere gemacht, einen Sohn allein großgezogen usw. Natürlich findet man - jetzt, wo man es weiß - Pulsatilla-Symptome.

Aber Du weißt, was ich meine, oder? Vom (Arche-)Typ her wäre man bei ihr niemals drauf gekommen, ihr Pulsatilla zu verordnen. Und diese Patientin ist kein Einzelfall in meiner Praxis … 



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